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Hinduismus

Hinduismus ist der moderne Sammelbegriff für die zahlreichen aus Indien stammenden Philosophien und Glaubensströmungen. Die verschiedenen altindischen Gesetzessammlungen, wie die Manu-samhita enthalten klare Anweisungen bezüglich des Fleischessens: „Fleisch kann man sich nicht verschaffen, ohne anderen Lebewesen Gewalt anzutun. Deshalb sollte man den Verzehr von Fleisch vermeiden.“ An einer anderen Stelle in der Manu-samhita heißt es: „Bedenkt man die abscheuliche Herkunft von Fleisch und die Grausamkeit, die die Gefangenschaft und das Schlachten verkörperter Wesen mit sich bringt, dann sollte man sich des Fleischessens völlig enthalten.“ Ebenso klar äußern sich die altindischen („vedischen“) Schriften, von denen die Bhagavad-Gita und das Bhagavata Purana die wichtigsten sind: „Nahrung, die ohne Geschmack, faul und gegoren ist und Nahrung die aus Speiseresten und unberührbaren Dingen (wie Fleisch, Fisch und Eiern) besteht, wird von denjenigen geschätzt, die sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit und Dunkelheit befinden.“ (Bhagavad-Gita 17.10) „Iss nichts, was durch Fleisch oder Fisch verunreinigt worden ist!“ (das Bhagavata Purana 6.18.49).

Im Folgenden wollen wir diese vedischen Urtexte zu Rate ziehen, denn ihre Aussagen sind von höchster Wichtigkeit, wie im Zusammenhang mit der Problematik des Fleischessens deutlich ersichtlich wird.

Wenn man sich die grundsätzliche Frage stellt, ob der Mensch Tiere töten darf, und erkennt, dass die Antwort Nein lautet, stellt sich eine logische nächste Frage: Warum ist es dem Menschen nicht erlaubt, und was geschieht, wenn er es – so wie heute – trotzdem tut?

Während sich die westlichen Philosophien und Religionen nicht einmal im klaren darüber sind, ob Tiere auch ein Recht auf Leben haben oder folgenlos getötet werden können, finden wir in den altindischen Schriften klarste Aussagen und Erklärungen über sämtliche Bereiche des Lebens, über sowohl die materiellen als auch über die spirituellen. Das Entscheidende, was in diesem Zusammenhang verstanden werden muss, ist das Thema des Karma.

Das Sanskritwort Karma bedeutet wörtlich „Handlung“ (Aktion) und weist darauf hin, dass jede Handlung in der materiellen Welt verschiedene kurzfristige und langfristige Folgen (Reaktionen) verursacht. Jeder Mensch führt „Karma“ (Handlungen) aus und untersteht somit dem Gesetz von Karma, dem Gesetz von Aktion und Reaktion, das für jede (gute oder schlechte) Handlung eine entsprechende zukünftige (gute oder schlechte) Konsequenz festsetzt. Wenn man vom Karma einer Person spricht, meint man damit also die „vorausbestimmten Reaktionen auf eine nach dem Willen ausgeführte Handlung (Aktion)“.

Das Gesetz des Karma ist nicht bloß eine östliche Theorie, sondern ein Naturgesetz, das generell unvermeidlich wirkt wie die Zeit oder das Gesetz der Schwerkraft. Auf jede Aktion folgt eine Reaktion. Gemäß diesem Gesetz fallen Schmerzen und Leiden, die wir anderen Lebewesen zufügen, auf uns zurück. „Wie der Mensch sät, so wird er ernten“, denn die Natur hat ihre eigene universale Gerechtigkeit. Niemand kann das Gesetz des Karma umgehen – außer denjenigen, die verstanden haben, wie es funktioniert. Grundlegend für das Verständnis des Karma-Gesetzes ist die Erkenntnis, dass alle Lebewesen beseelt sind; das heißt, dass sie alle unsterbliche spirituelle Seelen sind, die in vergänglichen Körpern weilen. In der Bhagavad-Gita, der zentralen vedischen Schrift, beschreibt Krishna, dass die spirituelle Seele die Quelle des Bewusstseins ist, das den gesamten Körper durchdringt und ihn überhaupt erst lebensfähig macht. Wenn die Seele den Körper verlässt, spricht man von „Tod“. Einer Seele den Körper zu zerstören, wie das beim Tieretöten der Fall ist, ist für den Menschen deshalb eine große Sünde. Nur in der menschlichen Lebensform hat die Seele die Freiheit des bewussten Entscheidens. Mit dieser Freiheit trägt der Mensch jedoch auch die Verantwortung für all das, was er tut. Deshalb wird von einem Menschen erwartet, dass er die höheren Prinzipien des Lebens, wie z. B. das Gesetz des Karma, versteht und danach handelt.

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“

Das Verständnis des Karma-Gesetzes deckt also die eigentlichen zerstörerischen Folgen des Tieretötens auf. Auch wenn man das Tier nicht selbst tötet, schneidet man sich in eigene Fleisch. Gemäß dem Karma-Gesetz bekommen alle Beteiligten – derjenige, der das Tier züchtet, der es tötet, der das Fleisch verkauft, der es kocht, der es serviert und der es isst – ent-sprechende Reaktionen.

Aber das Gesetz des Karma gilt nicht nur individuell, sondern auch kollektiv. Das heißt, es gilt für Handlungen, die eine Gruppe von Menschen (Familie, Gemeinde, Nation, ja die Bevölkerung des gesamten Planeten) gemeinsam ausführt oder toleriert. Wenn die Menschen sicherstellen, dass die Schöpfungsgesetze eingehalten werden, profitiert die gesamte Gesellschaft. Wenn jedoch die Gesellschaft sündhafte, ungerechte und gewalttätige Handlungen zulässt, wird sie unter dem entsprechenden kollektiven Karma zu leiden haben, das sich durch Kriege, Naturkatastrophen, Umweltsterben, Epidemien usw. äußern kann.

Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896-1977), einer der bedeutendsten Sanskrit-Übersetzer des 20. Jahrhunderts schrieb im Jahre 1974:

Wer Tiere tötet und ihnen unnötigen Schmerz zufügt – wie es die Menschen in den Schlachthäusern tun -, wird im nächsten und in vielen weiteren Leben auf ähnliche Weise getötet werden. So ein Vergehen lässt sich niemals entschuldigen. Wenn man viele Tausende von Tieren berufsmäßig tötet, damit andere Menschen das Fleisch zum Essen kaufen können, muß man gewahr sein, im nächsten Leben sowie Leben für Leben auf ähnliche Weise getötet zu werden“. (Caitanya-Caritamrita, Madhya-lila 24.251, Erläuterung).

Viele Menschen fürchten sich heute vor einem Krieg, aber gleichzeitig lassen sie es kaltblütig zu, dass jeden Tag in Schlachthöfen, Mastfabriken und Tierversuchslaboratorien auf der ganzen Welt mindestens ebenso grauenvolle Massaker durchgeführt werden – und erkennen nicht, wie ernste Gewaltaktionen miteinander verbunden sind.