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Schächt-Diskussion Schweiz

06.04.2019

Anti-Schächt-Diskussion Schweiz: Was orthodoxen Juden bleibt, falls der Import von koscherem Fleisch verboten wird

Quelle: www.watson.ch, von Hugo Stamm

Die Alliance Animal Suisse, ein Zusammenschluß von drei Tierschutzorganisationen, will ein Importverbot von sogenannten Qualprodukten durchsetzen. Darunter fallen die Leber von Stopfgänsen, Pelz oder Reptilienleder. Betroffen wäre möglicherweise auch koscheres Fleisch. Dieses stammt von Tieren, die (betäubungslos) geschächtet wurden. Denen also ein Metzger Halsschlagader und Kehle durchgeschnitten hat, damit ihr Blut ausläuft.

Diese Form des Schlachtens wenden Juden und Muslime an. Für beide ist das Schächten ein religiöses Ritual und Gebot. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß der Islam das Betäuben der Tiere zuläßt, das Judentum nicht. Würde also ein Importverbot von koscherem Fleisch verboten, wären die Muslime kaum betroffen, weil betäubte Tiere beim Schächten nicht leiden müssen.

Eine ähnliche Motion, die vom SP-Nationalrat Matthias Aebischer vor zwei Jahren lanciert worden war, erlitt Schiffbruch. Der Ständerat lehnte den Vorstoss damals ab.

Klappt's nicht, kommt die Initiative

Im zweiten Anlauf stehen die Chancen besser, weil die aktuelle Motion aus der anderen Ratsecke stammt: von der SVP-Parlamentarierin Barbara Keller-Inhelder. Unterschrieben haben das Begehren bereits 43 Nationalräte aus allen Fraktionen.

Sollte die Motion wieder scheitern, wollen die Tierschützer eine Volksinitiative starten [Anm.: Eine nur in der Schweiz – also außerhalb der EU – mögliche, direkt-demokratische Volksabstimmung, der die Politik zwingend zu folgen hat!]. Dabei könnten sich die Initianten durchaus Chancen ausrechnen, stoßen doch Tierschutz-Anliegen in breiten Teilen der Bevölkerung auf Sympathie. Strenggläubige Juden hingegen sehen bei einem Importverbot von koscherem Fleisch eine Einschränkung der Religionsfreiheit.

Das Schächtverbot wurde in der Schweiz bereits im Jahr 1894 eingeführt. 2003 erhielten die Juden dann die Erlaubnis, koscheres Fleisch zu importieren. Dies würde bei einer erfolgreichen Volksabstimmung wieder verboten. Die Motion hingegen läßt in dieser Frage einen Spielraum offen. Juden dürfen ausschließlich „reines Fleisch“ von geschächteten Tieren essen. Ausgeschlossen ist auch Fleisch von Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Dabei berufen sie sich auf das 5. Buch Moses (14:21), in dem es heißt: «Kein Aas dürft ihr essen …»

Ist das Blut Sitz der Seele?

Das gleiche Buch hält auch fest, daß das Blut das Sinnbild des Lebens und Sitz der Seele sei. Es geht übersetzt darum, daß Gläubige nicht die Seele von anderen Wesen essen dürfen. Die fünf Bücher Moses sind in die Thora sowie ins Alte Testament eingegangen. Strenggläubige Juden argumentieren, daß die Tiere beim Schächten kaum leiden müssen. Durch den gezielten Schnitt durch Halsadern, Luft- und Speiseröhre komme es zu einem sofortigen Abfall des Blutdrucks. Deshalb würden selbst große Tiere wie Kühe in 25 bis 30 Sekunden bewußtlos.

Das Schächten aus religiösen Gründen ist aus heutiger Sicht fragwürdig. Die Autoren des Buch Moses gingen vor über 3000 Jahren davon aus, daß das Blut Sitz der Seele sei. Eine These, die in keiner Weise mehr plausibel ist.

Es gäbe auch die Möglichkeit der vegetarischen Ernährung

Außerdem gibt es gute Gründe, das damalige Schächtgebot als hygienische Maßnahme zu betrachten. Blut war in der Sommerhitze des Nahen Ostens ein Biotop für Krankheitserreger. Schließlich gab es noch keine Kühlschränke. Religiöse Gründe für das Verbot, Blut zu trinken, waren schließlich wirkungsvoller als reine Hygienesorgen.

Für den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) wäre ein Importverbot von koscherem Fleisch ein Desaster. „Es bliebe einem religiösen Juden nichts anderes übrig, als auszuwandern“, sagte Präsident Herbert Winter gegenüber dem „Tages-Anzeiger“.

Nur: Es gäbe auch die Möglichkeit der vegetarischen Ernährung. Bei den vielen religiösen Geboten, die orthodoxe Juden einhalten müssen, wäre ein Fleischverzicht kaum das größte Opfer.

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