neues-deutschland.de: Pelztierfarmen als Auslaufmodel: Norwegens Regierung faßte Grundsatzbeschluß zur Abwicklung des Industriezweiges
Sieg! Mit dieser Überschrift feierte Norwegens größte Tierschutzorganisation »Dyrevern« das Ende einer 17 Jahre langen Kampagne gegen die Haltung und Zucht von Pelztieren auf norwegischen Farmen. Die Winde standen schon lange ungünstig für die Züchter, doch der endgültige Umschwung kam erst im Zuge der Verhandlungen zur Regierungsbildung. Die liberale Venstre-Partei, die schon seit mehreren Jahren Gegner der Käfighaltung war, machte das Verbot zur Bedingung ihrer Regierungsbeteiligung. Um die Regierungsmehrheit zu sichern, mußte die konservative Ministerpräsidentin Erna Solberg sich der Forderung beugen. Die Linksparteien und die Grünen hatten sich schon längst gegen die Haltung und Züchtung von Tieren zur Pelzerzeugung ausgesprochen.
Streng genommen setzte der norwegische Beschluß aber lediglich ein Schlußdatum fest für eine Industrie, deren wirtschaftliche Bedeutung seit der Jahrtausendwende deutlich zurückgegangen ist. Noch 1999 gab es 1287 Pelzfarmen in Norwegen, während es gegenwärtig nur noch 201 sind. Dafür sind sie jedoch wesentlich größer geworden und statt wie damals wenige Hundert Tiere werden nun durchschnittlich etwa 1500 Tiere, in Einzelfällen sogar bis zu 30000, in Käfigen und engen Gehegen gehalten. Die Züchter haben nun eine Frist bekommen, bis zum Jahr 2025 ihre Unternehmen abzuwickeln und bekommen dafür eine finanzielle Entschädigung. Gerade die zunehmende Größe der Farmen ist zu einem Schwachpunkt für die Besitzer geworden, die hart für die Erhaltung der Industrie gekämpft hatten.
Nicht nur Tierschutzorganisationen, sondern auch die Veterinärkontrolleure hatten immer wieder festgestellt, daß die wenigen Arbeitskräfte, die auf den hoch mechanisierten Farmen beschäftigt sind, durchschnittlich nur 20 Sekunden Aufmerksamkeit für ein Tier haben, um Krankheiten oder streßbedingtes Fehlverhalten feststellen zu können. Zudem sind die Farmen zu einer Umweltbelastung geworden durch die von ihnen produzierten Abfälle. Auch das Argument, daß sie relativ umweltfreundlich sind, weil dort Schlachtabfälle an die gehaltenen Nerze, Marder oder Füchse verfüttert werden und dadurch die weitgehende Verwertung von Schlachttieren wie Kühen, Schweinen oder Geflügel gesichert wird, hat Lücken, denn solche Abfälle machen nur einen kleinen Anteil am Futter aus.
Die Akzeptanz der Pelztierhaltung in der norwegischen Bevölkerung ist schon seit Jahren weitgehend verschwunden. In einer Meinungsumfrage von 2014 erklärten 68 Prozent der Norweger, daß sie gegen die Haltung von Pelztieren seien. Eine Reihe norwegischer Prominenter schlossen sich den Anti-Pelz-Aufklärungskampagnen an. Auch das Arbeitsplatzargument fällt kaum wenig ins Gewicht, da nach Angaben der Regierung im Jahr 2016 lediglich 316 Personen auf den norwegischen Farmen beschäftigt waren. Die meisten liegen in den zentralen Gebieten Norwegens, so daß auch die Arbeitssituation in Randlagengebieten nur wenig beeinflußt wird. Für die norwegische Gesellschaft ergeben sich durch den Wegfall der Pelzfarmen sogar meßbare finanzielle Vorteile: Die Umwelt wird weniger belastet und hohe Transportsubventionen fallen weg, die indirekt den Verbrauchern in den wichtigsten Märkten Rußland und China zugute kommen.