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Tiertransporte: Massive Mißstände bei Horrortransporten in die Türkei

11.07.2017

www.animals-angels.de: Goldrausch (von Silvia Meriggi):

Wenn Sie das Wort ‚Goldrausch‘ hören: denken Sie dann auch ans 19. Jahrhundert? Nein: Der jüngste Goldrausch begann, als die Türkei im Jahr 2010 das Verbot von Tier-Importen aufhob. Alle Welt wollte plötzlich im Wettbewerb vorne sein, alle wollten ihre Claims abstecken und Geld mit den Tieren verdienen. So auch die EU. Gier ging vor Würde: Die Anstrengungen jener EU-Bürger, die sich für das Wohl der Tiere einsetzen, kamen unter die Räder.

Was geht da vor? Was passiert mit ‚unseren' Tieren auf so langen Strecken und in einem Land mit anderer Kultur und Gesetzeslage? Bei unserem ersten Besuch vor Ort konnten wir gewissermaßen auf einen Blick das gesamte Ausmaß des Exporthandels mit den Tieren erfassen, denn alle Transporte müssen an der Grenze durch dasselbe Nadelöhr hindurch. Auf den Straßen in Europa begegnen uns die Transporte ja auf vielen verschiedenen Routen und erst die Statistik läßt das große Ganze erahnen. An der türkisch-bulgarischen Grenze aber waren wir am Zoll umringt von Tiertransportern – sie waren praktisch überall.

Keine Ahnung Im Grenzterminal, auf der Straße, an jeder Tankstelle, an jedem Parkplatz: ein Transporter am andern. Keiner der Fahrer hatte eine Ahnung, wie und wann es weitergehen würde. Und die Tiere warteten in den LKW. Sie standen und fielen und lagen bei knallender Hitze und klirrendem Frost. Kein oder viel zu wenig Futter, kein Wasser. Zu eng, zu stickig. Gestank, Gedränge, Elend. Warten auf den Stempel in den Papieren, auf die Weiterfahrt und schließlich das Ausladen im Schlachthaus oder irgendeinem dunklen, schäbigen Stall. Manche überlebten das nicht, trotz unserer hilflosen Versuche, ihnen etwas Wasser oder ein wenig Heu zu bringen. Von Würde ganz zu schweigen.

Massive Mißstände Was wir gesehen hatten, berichteten wir an die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten, aus denen die Tiere kamen: Mit Unmengen von Briefen, Fotos, Filmen und Berichten haben wir versucht, dem Unglück Einhalt zu gebieten. Und heute, sechs Jahre später? Geht der Export genauso weiter. Und unsere Einsätze auch, mit denen wir Druck auf die EU und auf die nationalen Behörden ausüben. Doch die Agrarpolitik ändert sich nicht. Kein einziges EU-Land hat sich gegen diese Quälerei ausgesprochen. Schlimmer noch: Die Exportzahlen steigen. Und manchmal habe ich den Eindruck,

… daß sich nichts ändert. Daß ich für die Tiere nichts tun kann. Trotzdem gehe ich mit den Animals’ Angels weiter zu ihnen. Wir bleiben bei ihnen. Wir warten mit ihnen, bei Tag und bei Nacht. Wir dokumentieren alles, was wir sehen und hören. Wir fotografieren. Wir notieren. Wenn nicht wir – wer dann? Und wenn wir dann wieder in unserem ‚normalen’ Leben sind, fällt es uns schwer, wieder anzukommen. Denn ein Teil von uns bleibt dort: bei den Tieren. Ein Stück von uns bleibt in dieser Parallelwelt, wo Hunderte Augen völlig unbemerkt über die Grenze gebracht werden. Hunderte Augen. Hunderte Persönlichkeiten. Jeden Tag.

Mein Auftrag: darüber sprechen. Bei den Tieren sein und den Menschen zeigen, was das heißt. Habe ich etwas erreicht bisher? Ich habe an Meetings und Sitzungen teilgenommen und Gespräche geführt. Es wurden Dokumente erstellt, die zu einer besseren Abwicklung der Transporte führen sollen. Meetings und Dokumente verändern die schreckliche Wirklichkeit nicht. Aber ich bringe damit die Tiere in die Säle und Büros und Versammlungsräume. Ich bringe sie vor die Augen, in die Akten und – hoffentlich – in die Herzen der Bürokraten, die sonst nur von ihnen als ‚Lebendgewicht’ und ‚Großvieheinheit’ sprechen.

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