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Schweinepest: Respektlosigkeit vor dem Leben wilder Tiere

06.02.2018

Schweinepest: Respektlosigkeit vor dem Leben wilder Tiere – offener Brief

Thüringens Landwirtschaftsministerium gibt 70.000 Wildschweine zum Abschuß frei!

Sehr geehrte Frau Ministerin Keller,
leider sieht es tatsächlich so aus, daß Politiker und Jäger gleichsam, das Töten von Tieren wohl als die einzige Variante sehen, mit Problemen, wie z.B. der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest, fertig zu werden. Bei Jägern ist dies nicht verwunderlich, das Töten von Tieren gehört zu deren Hauptinteressen. Bei Politikern, zumal bei denen, die nicht selbst aktiv jagen, schon etwas verwunderlich – sie sollten doch das Leben schützen – egal ob menschliches oder tierisches!

Doch daß Jäger - nennen wir sie doch beim Namen - "Lusttöter" sind und nichtjagende Politiker sie trotzdem zum Freund haben, werden Tierfreunde und somit Jagdgegner wohl nie verstehen. Gehört denn wirklich so viel Überwindung dazu, unsere Mitgeschöpfe zu mögen – oder was ist der Grund für die Sympathie mit der mordenden Gilde, daß sogar nichtjagende Politiker sich von der irreführenden Propaganda aus Jägerrichtung von deren immerwährendem Aktionismus zu obigen Massenmord aufstacheln lassen?

Wir, sowie alle tierlieben Menschen verurteilen Ihr Vorhaben, sehr geehrte Frau Ministerin, auf das Schärfste und möchten Ihnen dazu einige aufklärende Worte mit auf den Weg geben, die Sie hoffentlich eines Besseren überzeugen, Ihre jägerfreundliche Entscheidung zur Problematik der Afrikanischen Schweinepest nochmals gründlichst zu überdenken:

DIE ZEIT sprach mit dem Wildökologen Prof. Dr. Dr. Sven Herzog über Ursachen der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest, über die Illusion, Wildschweine durch Jagd nachhaltig zu reduzieren und über fehlgeleiteten politischen Aktionismus.
"Die Hauptgefahr geht gar nicht von den Wildschweinen aus“, erklärt der Dozent für Wildökologie und Jagdwirtschaft, welcher an der Technischen Universität Dresden lehrt, im Gespräch mit der ZEIT. Wildschweine seien meist ortstreu. Zudem mache die Afrikanische Schweinepest befallene Schweine unbeweglich, mit hohem Fieber sterben die Tiere rasch. Im Übrigen seien die Erreger für Menschen harmlos.
Forscher sind heute fast einhellig der Ansicht, daß die Afrikanische Schweinepest durch den Menschen verbreitet wird, nämlich durch den Transport von Fleisch- und Wurstwaren, über Autobahnraststätten, auf Reste von Schinken- und Salamibroten weggeworfen werden sowie durch den Jagdtourismus, indem die Jäger mit infizierten Tieren direkt in Kontakt kommen und die Erreger an Jagdkleidung und Trophäen haften.

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog erklärt im ZEIT-Interview: "Nicht die Hauptursachen wie intensive Schweinezucht und transportbedingte Krankheitsverbreitung stehen im Fokus, sondern die Wildschweine. Sie gelten als Erregerreservoir und Überträger der Seuche. Jäger sollen diese Bösewichte eliminieren. Hierzu scheinen fast alle Mittel recht zu sein, von technischer Aufrüstung bis zum Ignorieren elementaren Tierschutzes."
Hinzu kommt, daß die Jagd Wildschweine nicht regulieren kann: "Vermehrte Abschüsse wirken zwar kurzfristig und lokal. Aber es ist eine Illusion, verstärkte Jagd könne die Schwarzwildbestände nachhaltig reduzieren. Das ist irreführende Propaganda. Und sie wird immer wieder aufgewärmt. Heute kommen in Deutschland jährlich rund zwanzigmal mehr Wildschweine zur Strecke als vor dem Zweiten Weltkrieg im viel größeren Deutschen Reich. Die Jagd ist längst schon hochaktiv." DIE ZEIT (3/2018)

Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert die durch das Landwirtschaftsministerium angeordnete Reduzierung der Schonzeit für Wildschweine scharf. "Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, daß eine intensive Jagd beim Wildschwein zu stärkeren Vermehrungsraten führt", so Holger Sticht, Landesvorsitzender des BUND, in einer Pressemitteilung vom 10 01.2018.

Er verweist auf die nach der leitenden Wissenschaftlerin benannten "Servanty-Studie" von 2009. Sie untersuchte in Frankreich über 22 Jahre hinweg zwei Wildschweinpopulationen: eine, die kaum bejagt wurde, und eine weitere, die häufig bejagt wurde. Sie wies nach, daß die Vermehrungsrate in dem stark bejagten Bestand signifikant höher ausfiel als in dem weitgehend sich selbst überlassenen Bestand.

Der BUND sieht somit die Jäger selbst als mögliche Verursacher der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest: "Ein erhöhtes Risiko bringe vor allem der Jagdtourismus mit sich, indem die Jäger mit dem Blut und den Ausscheidungen infizierter Tiere direkt in Kontakt kommen", heißt es im Westfalenblatt am 9.1.2018.

"Kein Wildschwein läuft von Polen nach NRW, sondern die bekannten Ausbreitungswege der Afrikanischen Schweinepest sind Jagdtouristen und Fleischkonsumenten, die kontaminierte Nahrungsreste in der Landwirtschaft hinterlassen", so Holger Sticht.

Und so geht es, wie stets, wenn viel Geld im Spiel ist, wieder um wirtschaftliche Interessen! Es geht um Landwirte, die, bricht die Afrikanische Schweinepest aus, vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen. Doch selbst schuld – kann man da nur sagen. Hätten eben diese sogenannten Landwirte, die eigentlich mehr Industriemanager sind, ihre Tiere so gehalten, wie die in Deutschland geltenden Gesetze – das Tierschutz – und Grundgesetz gebietet – hätten sie keine solchen Sorgen, ihre Tiere würde der gefürchtete Virus nicht erreichen. Doch in Massen gehaltene – auf engstem Raum eingepferchte Tiere – haben weder ein intaktes Immunsystem noch die Eigenschaft ohne Medikamente gesund zu bleiben.

Wenn schließlich noch die mordende Gilde der Jäger für ihre "Mehrarbeit", das lustvolle Töten, bis zu 13,- € für jedes erlegte Tier – und das einzig und allein von unseren Steuergeldern - hinterhergeworfen bekommt, muß man sich als braver Bürger schon fragen, auf wessen Geheiß das geschieht und wer dafür Verantwortung übernimmt!?

Wenn nur der Freistaat Thüringen allein 2018 und 2019 schon 1,5 Millionen € zur Bekämpfung der Schweinepest zur Verfügung stellen will, wollen wir gar nicht fragen, was dafür in ganz Deutschland für unsinniges Geld verschwendet wird.

Im Namen und Auftrag der Tierschutz-Union und aller Menschen, denen unsere Natur, die Tiere und auch ihre Mitmenschen noch etwas bedeuten.

Mit freundlichen Grüßen

Harald von Fehr, Tierschutz-Union Deutschland

 

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