Mopo.de: Aus Angst vor der Schweinepest: Die Sau als Sündenbock
Halali! Auf zum großen Massentöten. Seitdem befürchtet wird, daß die Afrikanische Schweinepest sich auch in Deutschland ausbreiten könnte, wird das heimische Wildschwein als Feind ins Visier genommen. Als Einpeitscher marschiert vorneweg der Bauernverband, der den Abschuß von 70 bis 80 Prozent der Tiere fordert. Und die Bundesländer lockern leichtfertig das Jagdrecht. Auch Hamburg zieht mit. Das kritisieren nicht nur Tierschützer. Auch Wildbiologen zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen. Denn statt um Seuchen-Bekämpfung geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes – nämlich das große Geschäft mit dem Schweinefleisch aus Massentierhaltung.
Anders als man denken könnte, sind die Wildschweine nicht wirklich der Verbreiter des Schweinepest-Virus. Denn die Tiere, für die die Erkrankung zwar meist tödlich verläuft, sind sehr standorttreu und legen keine langen Strecken zurück. „Für die Fernausbreitung spielt die Wildschweindichte so gut wie keine Rolle“, so dann auch Prof. Sven Herzog, Wildbiologe an der TU Dresden, auf dem Sender 3sat.
Die Hauptgefahr bei der Verbreitung ist der (grenzüberschreitende) Lkw-Verkehr und Tourismus – also der Mensch! Denn in einem unachtsam entsorgten Schinken- oder Salami-Brötchen hält sich das Virus, das für uns Menschen völlig ungefährlich ist, bis zu sechs Monate. „Über den Grenzverkehr breitet der Mensch selbst die Seuche aus. Hier muß man ansetzen“, fordert Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund.
Doch obwohl die Afrikanische Schweinepest schon 2007 im Kaukasus aufgetaucht ist, passierte hierzulande jahrelang nichts – außer Abwarten. Nicht einmal um besonders gesicherte Mülltonnen an den Transit-Autobahnen oder Bahnhöfen bemühte man sich, von verstärkten Hygienemaßnahmen an der Grenze ganz zu schweigen.
Erst nachdem sich die Gefahr Richtung Westeuropa ausgebreitet hatte und zuletzt Tiere in Tschechien oder Polen befallen worden waren, begann in Deutschland der panikartige Aktionismus. Vorangetrieben von Lobbyisten des Bauernverbandes – jener Organisation, die die industrielle Massentierhaltung seit Jahrzehnten schönredet und die nichts Verwerfliches daran findet, wenn Sauen im Kastenstand eingezwängt werden und ein Schwein in der konventionellen Haltung nur 0,75 Quadratmeter Platz hat. Ganz zu schweigen davon, daß ihnen die Zähne geschliffen und die Schwänze gekappt werden, damit sie sich in der brutalen Enge der Ställe, verdammt zum Nichtstun und Fettwerden, gegenseitig weniger verletzen können.
Ausgerechnet jener Verband also, der von jeher einen viel zu großen Einfluß auf die Landwirtschaftspolitik hat, fordert den Massenabschuß der Wildschweine, daß es selbst dem Deutschen Jagdverband ein bißchen zu viel ist. Eine Reduktion des Bestandes um 70 Prozent, zitiert der „Spiegel“ Torsten Reinwald vom Jagdverband, könne er sich nur im Seuchenfall und im Seuchengebiet vorstellen. Reinwald: „Alle zeigen mit dem Finger auf das Wildschwein. Dabei wandert der Erreger durch Wildschweine nur etwa 20 Kilometer pro Jahr.“
Besorgniserregend ist vielmehr die Verbreitung über den Menschen. Er kann das Virus über Lastwagen oder infizierte Lebensmittel binnen einer Stunde zig Kilometer weit schleppen. Sogar am Schuh kann die Gefahr Monate überleben.
Dazu passend folgender aktueller Bericht von RespekTiere.at über die sattsam bekannten „Lustmörder“ und die Perversitäten auf „Die Hohe Jagd“ in Salzburg letztes Wochenende.