Sie sind hier

10 Mythen zum Wolf

02.10.2018

WWF: 10 Mythen rund um den Wolf

Meister Isegrim im Mythen-Check

Ist der Wolf eine wilde Bestie? Kann man sich noch sicher im Wald bewegen? Wie realistisch ist ein wolfsfreier Alpenraum? Die Rückkehr des Wolfes nach Österreich wirft nicht lediglich viele Fragen auf, sondern es kursieren auch zahlreiche faktenfreie Behauptungen über die Rückkehr der Wölfe nach Österreich. Helfen auch Sie uns, mit den Ressentiments und Stammtischparolen aufzuräumen! Hier 10 Mythen zur Rückkehr des Wolfes:

Mythos 1 - Der Wolf ist mehr als 100 Jahre lang niemanden abgegangen

Wölfe sind als heimische Wildtiere die jahrhundertelang die Landschaft bereicherten ein wichtiger und natürlicher Bestandteil der heimischen Artenvielfalt. Die Rückkehr des Wolfes ist somit aus Naturschutzsicht  positiv zu bewerten. So hält der Wolf den Wildbestand in guter Kondition, denn Wölfe jagen vor allem jene Tiere, die sie leicht erbeuten können. Kranke oder schwache Tiere bemerkt der Wolf früher als der Jäger. Diese fallen dem Wolf daher eher zum Opfer als kräftige, gesunde Individuen.
Die Anwesenheit des Wolfes wirkt sich somit positiv auf die Gesundheit unseres Wildbestandes aus. Wölfe können auch andere Arten wie zum Beispiel den Goldschakal oder die nicht einheimische und stark waldschädigende Wildart Mufflon in Schach halten.
Auch kann der Wolf helfen die viel zu hohe Zahl an Hirschen, Rehen und Wildschweinen in Österreich zu senken. Unser Land hat europaweit gesehen die höchste Dichte dieser Wildtiere und deshalb auch massive Problem mit Verbiß-Schäden. Trotz aller Bemühungen durch die Jägerschaft ist es nicht gelungen, den Wildbestand in den letzten Jahren zu senken. Hier könnte der Wolf dem Jäger ein wichtiger Helfer sein.  

Mythos 2 - Mensch und Wolf haben sich noch nie verstanden, das war noch nie eine gute Beziehung

Die frühe Partnerschaft unserer Jäger-und-Sammler-Vorfahren mit dem Wolf war eine der wichtigsten Innovationen der Menschheit. Die Erstbegegnungen fanden vor 40.000 Jahren statt. Dabei haben die Menschen entdeckt, wie ähnlich uns die Wölfe im Sozialsystem und in der Lebensweise sind. Beide sind Laufjäger, leben in kleinen Gruppen, kooperieren innerhalb der Gruppen sehr gut beim Jagen und der Aufzucht der Kinder und verteidigen sich gegen ihre Nachbarn. Aus diesen Beziehungen gingen unsere Hunde hervor, die immer schon wichtige Partner der Menschen waren.
Ein gutes Management schafft die Voraussetzungen für ein möglichst reibungsloses Zusammenleben zwischen Wolf und Mensch. Der WWF setzt sich für ein Management ein, das sowohl die Interessen der Betroffenen als auch die ökologischen Herausforderungen berücksichtigt. Engagierte, länderübergreifende Schutzbemühungen innerhalb der EU sind für den Wolf bzw. andere weit wandernde Tierarten von großer Bedeutung. An Herdenschutz-Maßnahmen, wie sie beispielsweise in Österreich bei Kals am Großglockner getestet wurden, führt kein Weg vorbei, wenn man eine möglichst friedliche Koexistenz mit dem Wolf erreichen und Schafe effektiv schützen will. In unserem Nachbarland Schweiz, sowie in Frankreich und Italien hat man mit solchen Herdenschutzprojekten bereits gute Erfahrungen gemacht. Wir Menschen haben kein Monopol auf die alleinige Nutzung der Landschaft, sondern teilen mit dem Wolf den gleichen Lebensraum.

Mythos 3 - Kommt der Wolf sterben viel mehr Schafe

Rund 380.000 Schafe werden in Österreich gehalten, davon ca. zwei Drittel auf den Almen. Viele Schafe kommen durch Blitz- und Steinschlag oder Schneedruck ums Leben oder werden Opfer von Krankheiten. Dieser so genannte „natürliche Abgang“ ist Todesursache für bis zu 10.000 Schafe in Österreich pro Jahr. Diese Zahl ist auch deshalb so hoch, weil die Schafe nicht immer ausreichend betreut werden. Durch die Rückkehr des Wolfes wird es nötig sein, die Herden in kürzeren Abständen aufzusuchen und zu kontrollieren oder sie manchmal sogar durchgehend durch einen Hirten zu beaufsichtigen. Durch die bessere Betreuung, wird es möglich sein, Krankheiten oder Gefahren schneller zu erkennen und somit hunderten bis tausenden Schafen das Leben zu retten.

Mythos 4 - Der Wolf ist eine wilde Bestie und greift Menschen an

Der Wolf ist mit Sicherheit kein Kuscheltier, aber ebensowenig ein wilde Bestie. Die Gefahr, von einem Wolf angegriffen zu werden liegt nahezu bei Null. Es ist weitaus wahrscheinlicher, daß einem beim Spaziergang im Wald ein Ast auf den Kopf fällt.
Der Wolf hat natürlich das Potential Menschen zu verletzen. Aus diesem Grunde sollte man Wölfen mit Respekt begegnen, ihnen nicht nachlaufen und sie keinesfalls füttern – genauso wie bei anderen Wildtieren auch. Gesunde Wölfe reagieren scheu und vorsichtig auf Menschen. Im Vergleich zu anderen wehrhaften Tieren wie Wildschweinen oder Kühen wird die Gefährlichkeit des Wolfes stark überschätzt bzw. wird von einzelnen Interessenvertretern Panikmache betrieben. Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland (nach zwei Jahrzehnten derzeit 60 Rudel, ca. 500 Wölfe) bzw. in die Schweiz (drei bis vier Rudel, ca. 50 Wölfe) gab es keine einzige Attacke oder gar Verletzte. Im Gegensatz dazu mußten laut Kuratorium für Verkehrssicherheit allein im Jahr 2017 in Österreich rund 3.600 Personen nach einem Hundebiß im Krankenhaus nachbehandelt werden. Bei Autounfällen mit Wildtieren werden ca. 350 Menschen jährlich verletzt. 2 bis 3 davon enden sogar tödlich.

Mythos 5 - Es ist für Kinder nicht mehr sicher im Wald zu spielen

Grundsätzlich sollten insbesondere kleinere Kinder nicht ohne Aufsicht im Wald spielen, egal ob im Wolfsgebiet oder nicht. Kinder können sich aber so wie in anderen Regionen, in denen Wölfe leben, im Wald aufhalten. Um das Risiko von Unfällen mit Wildtieren zu minimieren, sollten jedoch einige Verhaltensweisen im Zusammenleben mit allen Wildtieren beherzigt werden. Wildtieren sollte man immer mit Respekt begegnen. Das heißt man soll ihnen nicht nachlaufen, sondern Abstand halten. Insbesondere Wölfe sollte man keinesfalls  anfüttern und deren Wurfhöhlen nicht aufsuchen. Solche Vorsichtsmaßnahmen gelten für den Umgang mit allen Wildarten, die wehrhaft sind oder Krankheiten übertragen können. Einem Wildschwein zu begegnen ist viel wahrscheinlicher und auch gefährlicher.

Mythos 6 - Die Wölfe kommen immer näher an Siedlungen, die Gefahr steigt

Die Gefahr, in Österreich von einem Wolf angegriffen zu werden liegt nahezu bei null. Unser Land hat eine der höchsten Schalenwild-Dichten Europas und der Wolf findet genügend natürliche Beute vor. Daß der Wolf scheu ist bedeutet nicht, daß er „unsichtbar“ bleibt. Wolfsbeobachtungen können in Ländern mit großen Wolfsdichten, zu denen Österreich jedoch nicht gehört, durchaus vorkommen. So könnte ein Wolf – etwa auf einem Wanderweg – relativ nahe an Menschen vorbeilaufen, meist ohne daß diese das bemerken. Besonders die Jahrlinge, die „jugendlichen“ Wölfe im Alter bis zu zwei Jahren sind sehr neugierig und lernwillig. Sie könnten daher erst mal stehen bleiben, um zu beobachten, was passiert. Ein junger Wolf fühlt sich nicht unsicher oder ist extrem ängstlich, deshalb hat er keine Veranlassung, gleich davon zu sprinten. Wenn er die Situation für sich „abgeklärt“ hat, wird er sich umdrehen und weglaufen. Dabei handelt es sich um ein normales Wolfsverhalten ohne „angriffslustigen“ Hintergrund und dieses ist für Menschen normalerweise nicht gefährlich.

Mythos 7 - Der Wolf muß durch Abschüsse scheu gemacht werden, es braucht „wolfsfreie Zonen“

Die gezielte regionale Bejagung von Wölfen zur Schaffung von „wolfsfreien Zonen“ widerspricht eindeutig dem EU-Naturschutzrecht, wie sowohl EU-Umweltkommissar Karmenu Vella als auch Umweltministerin Elisabeth Köstinger bereits klargestellt haben. Auch naturschutzfachlich ist dieser Vorschlag realitätsfern und höchst problematisch. Einerseits kann sich ein Wildtier nicht an Bundesländergrenzen halten, andererseits ist der Wolf eine weit wandernde Tierart, die in relativ kurzer Zeit halb Europa durchqueren kann. Für „wolfsfreie Zonen“ bei uns müßte man also tatsächlich tausende Wölfe in den Alpen und in einem 1.000-Kilometer-Radius darüber hinaus töten.
Fakt ist auch: Die Entnahme einzelner Wölfe ist bereits jetzt erlaubt, wenn wiederholt Weidetiere trotz sachgemäß angewendeter Schutzmaßnahmen angegriffen werden. Selbstverständlich rechtfertigt auch ein – begründeter – Verdacht, daß ein Wolf für Menschen gefährlich werden könnte, rechtlich einen Abschuß. Erstens steht die Sicherheit des Menschen an oberster Stelle, zweitens gefährden auffällige Tiere die Akzeptanz der ganzen Art und könnten ihr Verhalten außerdem an den Nachwuchs weitergeben.

Mythos 8 - Ein Wolf hat Schafe gerissen, jetzt ist er ein „Problemwolf“, der abgeschossen werden muß

Ein Wolf der ungeschützte Schafe erbeutet, ist noch kein „Problemwolf“. Er verhält sich nicht einmal auffällig, sondern ähnlich „normal“ wie ein Hund, dem man eine Knackwurst vor die Nase hält. Der Wolf  frißt von Natur aus das, was mit dem geringsten Kraft- und Energieaufwand zu bekommen ist. Das ist in Österreich großteils Wild (in erster Linie Hirsche, Rehe und Wildschweine), da dieses überreichlich vorhanden ist. Schafe sind nur eine Gelegenheitsbeute, vor allem dann wenn eine Herde ungeschützt steht.
Unter einem „Problemwolf“ versteht man ein Wildtier, das sich immer wieder absichtlich in die Nähe des Menschen begibt, um Futter zu suchen oder zu erbetteln, obwohl es rundherum genügend Wild gibt. Ihm wurde - zum Beispiel durch Anfütterung - abgewöhnt, den Menschen zu meiden. Wer einem Wolf beibringen will, zwischen „erlaubter“ (Wild) und „unerlaubter“ (Haus- bzw. Nutztiere) Beute zu unterscheiden, erreicht das nur durch sachgemäß angewendeten Herdenschutz. Deshalb fordert der WWF Österreich von den zuständigen Landesräten seit Jahren ein rechtskonformes Wolfs-Management samt Herdenschutz und angemessenen Entschädigungszahlungen für Landwirte.

Mythos 9 - Für den WWF sind Wölfe mehr wert als Schafe

Nein, denn es geht nicht darum zu beurteilen, ob Wölfe oder Schafe mehr wert sind. Wir sind davon überzeugt, daß in unserer Landschaft beide Platz haben. Unsere Nachbarländer zeigen vor, daß auch in Anwesenheit des Wolfes Schafhaltung betrieben werden kann. Wölfe gelten laut der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und den nationalen Gesetzen als besonders schützenswert, weil sie eben so selten - in Österreich vom Aussterben bedroht - sind.  Österreich hat sich mit dem EU-Beitritt dafür entschieden, diese Richtlinie national mitzutragen – mit anderen Worten: Entscheiden sich Wölfe, auch in Österreich wieder sesshaft zu werden, darf das Land das nicht verhindern.

Mythos 10 - Wölfe springen über Zäune und machen Herdenschutz wirkungslos

Das ist falsch, weil Wölfe grundsätzlich nicht hoch springen. Bewährt haben sich etwa schon 90 Zentimeter hohe, dünne Zaunnetze, die Strom führen, aber auch Weidezäune, deren stromführende Litzen so verlaufen, daß Wölfe sie weder überwinden, noch darunter durchschlüpfen können. Wichtig ist daher die fachgerechte Installation. Bestehende Zäune wurden meist errichtet, um Nutztiere an der Flucht zu hindern, aber nicht um Wölfe am Eindringen zu hindern. Experten können beurteilen, ob bestehende Zäune etwa durch das Spannen zusätzlicher Stromlitzen adaptiert werden können. In Kombination können Herdenschutzhunde helfen, häufig reichen auch die Elektrozäune alleine aus. In Deutschland und in der Schweiz hat man mittlerweile Herdenschutz sehr gut im Griff und Österreich könnte sich etliches abschauen. Dabei gibt es keine 0815-Lösung, denn jeder Hof ist anders. Gerade deshalb ist gute Beratung essentiell und es ist die gesetzliche Pflicht der Behörden, endlich umfassend zu informieren und sich nicht hinter Stammtisch-Parolen zu verstecken!

Tierschutz-Themen: